Die Bücher aus dem Hause Wagenbach sind umwerfend schön. Im einheitlich roten, feinen textilen Kleid macht bereits ihr Anblick Freude. Mit Puntarelle & Pomodori kommt erst recht ein kleiner Schatz ins Haus. Denn die Atmosphäre, in die das Büchlein einlädt, macht unmittelbar Lust, in inspirierte kulinarische Experimente einzusteigen. Die römisch-jüdische Küche meiner Familie nennt Luciano Valabrega im Untertitel seine Aufzeichnungen: Unprätentiöse und zugleich durch und durch beseelte Erinnerungsstücke an den Geschmack seiner Jugend.
Valabrega hat die Gerichte aufgezeichnet, mit denen seine Oma, seine Mutter und die Tanten im Rom der 50er und 60er Jahre diverse hungrige Menschen verwöhnten. Um die Zubereitungskünste nicht zu vergessen, schrieb Valabrega sie auf – und beim Schreiben flocht er Alltagserinnerungen ein, eine Hommage an eine jüdische Familie in Rom. Mit knappem Geld und unter der Woche oft wenig Zeit, stets aber mit Liebe zur Tradition und Phantasie, wurde gebrutzelt, gesotten und genossen.
Stimmungsvolle Fotos mit dem Charme unwiederbringlicher Vespa-Nostalgie reichern die Seiten an. Lesen, kochen und in Gedanken nach Italien reisen: Dieses herrliche Dreigestirn für neugierige Genießer befriedigt Valabrega auf schlichte und eindrucksvolle Weise.
Kein Kochbuch im klassischen Sinn: Denn Valabrega kocht fast sinnlich erfahrbar vor, intuitiv wissend im Ungefähren; ohne Mengenangaben scheint er dem erinnernden Tun die Beschreibung abzulauschen. Keine Erzählung im klassischen Sinn: Denn die eingestreuten erzählerischen Miniaturen lassen uns einfach den Gang der Dinge, im Familienrythmus und seinen Jahreszeiten und Feiertagen erspüren. Kein klassischer Bildband, doch ein Einblick wie in ein Familien-Fotoalbum, ein wenig fühlt man den eigenen Voyeurismus verwöhnt.
Wir wollen nachkochen! Die Rezepte kommen stets mit wenigen Zutaten aus, davon sind einige hierzulande ganz unbekannt. Die titelgebenden Puntarelle beispielsweise, eine Chicoree-Variante mit Spargel-Nuance (siehe erstes Bild). Pomodori hingegen, die kennen wir, auch wenn sie nie und niemals in unseren Breitengraden so schmecken wie, wenn sie von der italienischen Sonne vollgesogen sind. Ich konnte das erst kürzlich in Kalabrien wieder erfahren – das italienische Tomatenwunder!
Valabregas Rezepte kreisen um Lieblingszutaten wie Artischocken (ja!), Sardellen, Hülsenfrüchte, Pecorino, natürlich Pasta. Wenn es Fleisch gibt, dann ganz koscher Milchlamm oder Rind und Kalb. Häufig werden günstige Teile verwendet wie Ochsenschwanz oder Kalbssehnen, es dauert lange bis das Fleisch zart von den Knochen fällt, aber diese haben in der Zwischenzeit einer deftigen Suppe den intensiven Geschmack beschert. Wie bei der Kichererbsensuppe, die wir abgewandelt mit Lammschulter zubereiten und die durch das Pürieren eines Teils der Hülsenfrüchte einen tolle, sämige Konsistenz bekommt.
Bei erstaunlich vielen Gerichten betont Valabrega, sie seien kalt ebenso wie warm zu genießen, das mag ein Zugeständnis der Arbeiterfamilie an zwei berufstätige Elternteile gewesen sein, vielleicht auch die Praxis einer Stadt, in der die Sonne häufiger Gast ist. Fuhr die Familie zum Festtag ans Meer (bezaubernd: Das Foto der Orgelpfeifen-Kinder mit Sonnenhüten, darunter ein einziger Junge: der Autor), wurden Omeletts aus Spaghetti und Ei gebraten und mit Blick auf die Wellen kalt verspeist – und es fällt nicht schwer zu glauben, wie gut es der Kinderschar geschmeckt hat.
Eines der wenigen Gerichte, die ausdrücklich für den Winter (und stets warm gegessen) vorgesehen waren, kochen wir auch – im regnerischen September mit Temperaturen wie im römischen Winter… – nach: Die Rede ist von den so genannten Kalbsklößen mit Kartoffelbrei, die ein wenig anders daher kommen, als wir das so kennen und mich genau deswegen reizen. Das Kalbshackfleisch wird zu platten Medaillions geformt und paniert, zuvor mit Parmesan angereichert, was auch für das Kartoffelpüree gilt. Es ist ein kulinarisches Erlebnis: Es wird schwer sein, in Zukunft Kartoffelbrei ohne Parmesan-Beigabe zu mögen und die Kalbsküchlein, die nach unserer Auffassung keine Klöße sind, schmecken wie zarte Geschwisterchen des Wiener Schnitzels, und doch irgendwie ganz eigen – lecker! Wir geben Limetten dazu und ein paar Kapern in die Soße ( was man auf diesem Foto nicht sieht).
Die Vorgaben Valabregas bieten einen so gelingensorientierten Rahmen, seine Unbekümmertheit in der Darstellung lädt zum eigenen, ebenso unbekümmerten Experimentieren (Kapern) ein.
Luciano Valabrega streift dezent wie selbstverständlich die Festtage und koscheren Spezialitäten des jüdischen Jahreszyklus – und bleibt in einer Sache zumindest ambilvalent. Italienischer Sitte und Geschmack folgend finden Pecorino und Parmesan häufig Einzug in die Rezepte. Dass sie in der koscheren Küche als Milchprodukte eigentlich nicht zusammen mit Fleisch verwendet werden dürfen, vergisst er nicht zu erwähnen – und gibt im Rezept selbst doch stets der Strenge den Laufpass (und den Käse ins Püree).
Attenzione, es gibt was zu gewinnen: Viele Tage lang lag dieses sehr feine Buch nun auf unserem Tisch in der Wohnküche: Jedes Mal, wenn ich es dort sah, hob sich ein wenig meine Laune. Ich verlose es jetzt zweimal. Meldet Euch bis zum 4. Oktober und stellt sicher, dass Eure Email-Adresse aktiv ist und Ihr mir nach der Verlosung binnen 48 Stunden Eure Adresse verraten könnt (also bis 6.10.). Schreibt einfach kurz, was Ihr mit der italienischen oder jüdischen Küche verbindet – und Ihr seid dabei. Wer später auf Lucianos Valabregas leichtfüßiges kulinarisches Werk aufmerksam wird, kann es bestellen…
Bildnachweis: Die Puntarelle auf dem Header-Foto hat Michael Chauvet fotografiert.
Du hast mich vom Bookcrossing-Forum hierher gelotst, mit den Puntarelle, denn die gehören zu den Speisen, die ich vermisse, seit ich nicht mehr in Rom wohne. Für die brauche ich auch kein Rezept, das habe ich vom Gemüseverkäufer gelernt. Wenn ich inzwischen an die italienische Küche denke, denke ich an die römische. Und die ist wunderbar besungen worden von den Radici nel cemento: La cucina casareccia (findet sich als Video im Netz) – viel Spaß damit! 🙂
Liebe Maenade, schön, wenn sich eine locken lässt. Und dann kennst Du auch noch die Puntarelle, mir waren sie wirklich neu. Danke für Deinen Kommentar … und der Lostopf freut sich auch.
Oh, das klingt ja toll!
Italien liebe ich, italienisches Essen sowieso, aber speziell die römische Küche hat es mir angetan, denn ich hatte das Glück 1997/98 ein Jahr dort leben und studieren zu dürfen. Seitdem bin ich oft zurück gekehrt und war immer wieder begeistert.
An der italienischen Küche finde ich besonders gut, dass es im Grunde genommen oft einfache Gerichte sind, die von den tollen aromatischen Zutaten leben.
Im Übrigen waren meine ersten Kochversuche die einfachen Gerichte, die ich von meiner Tante gelernt habe, die insgesamt ca. 30 Jahre in Rom gelebt un d immer viel gekocht hat: Spaghetti Carbonara, Pasta all’ammatriciana Pasta al tonno, Risotto funghi, etc.
Ich hoffe sehr, ein Exemplar zu gewinnen und werde mir den Titel auf jeden Fall auch als Geschenkidee für meine Tante merken!
Vielen Dank jedenfalls für die Vorstellung des Buchs,; das hätte ich sonst bestimmt nicht entdeckt!
Liebe Barbara, wie spannend. Genau wie in diesem Buch schilderst Du es: Oft geht es schnell, einfach … und mit ein paar Kniffen römischer Art. Beispielsweise die „echte“ Carbonara. Ich drück Dir die Daumen, das Buch passt genau zu Deinen Erfahrungen.
Liebe Bärbel,
was für ein wunderschönes Buch – über das ich im Handel noch nicht gestolpert bin!
Gern nehme ich an Deiner Verlosung teil. Jüdisch essen gehe ich in Hamburg unheimlich gern im „Café Leonar“, italienisch koche ich meist selbst 😉 Sehr gern auch mit Freunden zusammen.
Herzliche Grüße
Maike
Liebe Maike, allein Dein Tipp für das jüdische Café in Hamburg ist mir schon Gold wert. Danke dafür. Munter wandert Dein Name in den Lostopf und ich drücke Dir die Daumen!
Deine Vorstellung auf Bookcrossing hat mich neugierig gemacht und hier bin ich!
Ich koche sehr gerne und die italienische Küche hat sooooo viele echt tolle und auch anspruchsvolle Gerichte zu bieten! Es macht einfach Spaß italienisch zu kochen!!!
Mit der jüdischen Küche verbinde ich eine Zeit, die ich in Israel verbracht habe. Es ist schon einige Jahre her, aber dennoch waren die Eindrücke so intensiv, dass ich noch heute gerne daran zurückdenke. In Israel wurde ich damals zur Vegetarierin, denn die Vielfalt an Gemüse und die unkomplizierte Zubereitung dort, hatte mich sehr angesprochen! Heute bin ich zwar kein Vegetarier mehr, aber meine Liebe zum Gemüse ist geblieben!
Ich würde mich seeeeehr freuen, das Buch zu gewinnen, denn schöne Erinnerungen müssen gepflegt werden…
Liebe Grüße von Ute
Ach ja, die Bookcrosser(innen) sind schon ein aktives Völkchen. Liebe Ute, vielen Dank, dass Du teilnimmst … und Deine schönen Erlebnisse mit uns teilst!
Liebe Ute, herzlichen Glückwunsch … das Kochen und Schmökern darf weiter gehen. Sobald ich Deine Adresse habe, wandert das Buch zu Dir.
Von bookcrossing hoerhergestolpert und *wow* kein kooxhbuch, keine erzählung, kein bildband gefunden… so wie du schreibst, beherrscht es dieses buch, einen mitzunehmen in eine welt… und da verließen mich meine worte.
Ich begebe ich gerne auf diese reise, erfahre mehr über die kleinigkeiten der gerichte, des lebens… und erfue den lostopf mit einem namen mehr 😉
Und keine werbung für deinen blog? so wie du scheibst? danke.
Vielen Dank für Teilnahme und Komplimente…. wäre ich bestechlich, ich würde…. Auf jeden Fall ab in den Lostopf und ich drücke die Daumen!
Danke für den Hinweis im BC-Forum!
Was fällt mir zu italienischer Küche ein? Neulich kam ich um 21.00 Uhr nach Hause, da sitzt mein 17jähriger Sohn vor der von mir hergestellten „Lasagne“ (nennen wir es Nudel-Tomatensossen-Auflauf mit Lasagneplatten) mit einem Glas Rotwein (?!) am Tisch und antwortet mir auf meine Frage, was hier los wäre, dass man doch wohl zu einem italienischen Gericht ein Glas Rotwein trinken könne. Hm, vielleicht ist das Niveau noch verbesserbar, möglicherweise mit deiner Buchempfehlung?
Oh ja, da ist noch Luft nach oben! Aber cool ist er schon, der junge Mann:-)
Glückwunsch! Gewonnen! Als Beitrag zu Eurem italienischen feeling macht sich Puntarelle & Pomodori alsbald auf den Weg. (Ich brauche nur noch Deine Adresse).
Ich würde das Büchlein gerne gewinnnen,
a) weil ich gerne koche (insbesondere italienisch),
b) weil ich gerne esse (nicht nur italienisch) und
c) weil beim Lesen Deines Eintrages mein Magen zu knurren begann (Wenn das kein positives Signal ist…)
LG Maristella
Bist dabei:-) Dem Magen und Dir viel Glück.
Auf deinem Blog hört sich das ja superlecker an. Es erinnert mich jetzt von der Beschreibung her etwas an die Art der Kochbücher von Tessa Kiros. Da ich Italien und die italienische Küche liebe, aber auch im Kibbuzim und im Restaurant in Israel schon die jüdische Küche genießen konnte, würde ich das gerne auch nachkochen können. Ich koche überhaupt gerne Rezepte aus verschiedensten Ländern und aus verschiedenen Kulturen. Daher schicke ich dir jetzt noch schnell meine e-mail-Adresse, damit ich mit in dein Lostöpfchen wandern kann und dann hoffnungsvollerweise bald die leckeren Rezepte in meinem Kochtöpfchen zubereiten kann.
Mal sehen, ob Lostöpfchen und Kochtöpfchen gut zusammen arbeiten. Ich drück die Daumen!
Die liebe Frau chawoso nimmt auch noch teil:-) Sie kann hier gerade nicht kommentieren – und dann übernehme ich es für sie. Viel Glück!
Ich bin glückliche Gewinnerin, vielen Dank! Ja, die Tomaten! Meine Arbeitskollegin gibt mir immer leckere zu kosten, die aus Saatgut aus ihrer alten Heimat Kasachstan gezogen wurden, ganz tolles Aroma.Ich habe die besten Tomaten gegessen, als wir als Studenten durchs Donaudelta gepaddelt sind. Kann aber sein, dass sie doppelt lecker waren, weil wir uns viel aus der Dose ernährt haben, da war sogar das Brunnenwasser köstlich!
Ja, die tomaten… Derzeit freue ich mich auf die auf Lanzarote. Mhm. Und Gurken, die so rundum gurkig schmecken. Nächste Woche geht´s los, aber vorher werden noch Buchpäckchen verschickt:-)
Hallo, das ist ein sehr interessanter Beitrag.. nur eine Frage hätte ich betreffend der Kalbsklößen mit Kartoffelbrei weil die Klöße etwas in Fett triefen! Hast du die in viel Fett ausgebacken und muss das so sein dass es auch gut wird? Danke und LG Franziska! 🙂
Nein, muss es nicht. Nimm Dein Augenmerk und Gefühl, nimm nur soviel Fett , wie es braucht, um knusprig zu garen. Nicht durchfrittieren. Nicht anbrennen lassen. Das ist alles.