Es ist seltsam: Zitate türkischen Lebensstils, Gerichte, Stimmen und Waren des großen Landes am östlichen Mittelmeer bestimmen unseren Großstadtalltag ganz selbstverständlich mit. Dennoch brauchte ich einen kleinen Anstuppser, die Türkei zu besuchen. Dachte ich, ich erlebe keine Überraschungen, weil ich türkisch-stämmige Nachbarn habe und es an der nächsten Ecke Döner gibt? Oder habe ich schon zu viele Geschichten gehört über Massentourismus in sommerlicher Gluthitze? Die Probe aufs Exempel hat mich eines Besseren belehrt. Dieses Land lässt sich ganz wunderbar eigenständig und -sinnig bereisen!
Ägäis: Wunder der Nebensaison
Wer im Frühjahr (oder Herbst) nach Izmir fliegt, fliegt unter Nachbarn, von denen viele zwei Pässe haben. Und viel Gepäck für innerfamiliäre Beschenkungen… Das fröhliche Stimmengewirr pragmatisch Reisender begleitet mich. Auch vor Ort, im beschaulichen Güzelcamlı lässt man es ruhig angehen, bevor die Hauptsaison beginnt. Und doch bin ich wie mit einem Paukenschlag in einer anderen Welt. Bereits frühsommerliches Licht und aufregende Farben erwarten mich, während besinnlich die gastfreundlichen Vorbereitungen stattfinden.
In der türkischen Ägäis lässt sich der Sommer frühzeitig hervorzaubern oder der Winter lange rauszögern. Für mich völlig überraschend: Wie grün, bewaldet, fruchtbar und wasserdurchsäumt die Landschaft hier ist.
Dilek-Nationalpark: Die bestgeschützte Natur der Türkei
Völlig unverbaute Buchten und Strände, ein wilder Canyon, Pfade voll Kräuterduft: Wer auf seiner Reise in die Gegend von Kuşadası kommt, kann sich im Dilek-Nationalpark über ein Naturschutzgebiet freuen, das in der Westtürkei einmalig ist. Nur ein Weg führt von Nord nach Süd durch den Park, hinunter zum Meer zweigen vier Pfade zu traumhaft gelegenen Buchten ab.
Da der Eintritt einen kleinen Obulus kostet und im Park unter anderem das Grillen – hohe Passion der Einheimischen – verboten ist, da es hier keine Animation und natürlich keine Shoppingmeilen gibt, ist der Park der ideale Rückzugsort, um sich ein Stelldichein mit der eigenen erholungsbedürftigen Seele zu gönnen. Ganz flach geht es am ersten, dem weißsandigen, Strand im Park ins Meer: Das tut der Wassertemperatur so gut, dass es sich bereits im April hier baden lässt – mit Blick auf die griechische Insel Samos.
Aktiv und genießerisch: Individuelle Tage in der Ägäis
Die Wanderlust sollte man in sich tragen und Proviant bei sich. Dann verspricht die Tour durch die tiefe Schlucht im Dilek Nationalpark und anschließend auf den Karakol-Pass herrliche Ausblicke. Erst recht von hier oben lässt sich Samos erschauen und auf der anderen Seite des Kamms mit dem einzigartigen Mäandertal eine ganz andere Natur. Umgeben von Bergen und Meer zeigt jede Aktivität nach individuellem Maß die Geschenke der türkischen Ägäis.
Das fruchtbare Land vermag neben einer ausgezeichneten Fischküche mit den deftigen Genüssen der türkischen Bauernküche zu begeistern. Hauptbestandteile sind frische Gemüse, gegrillt sowie als Begleitung herzhafter Ragouts aus Lamm- oder Rindfleisch, allerhand vom lecker gewürzten Hackfleisch, immer wieder Joghurt und vor allem der typische türkische Reis, stets mit kleinen, angebräunten Nüdelchen versetzt und in Brühe geschmort. Aufregend auch die variantenreichen Nachspeisen auf der Basis von Reispudding, Kokos, Möhren, Nüssen … Ein ganzes Kompendium hat Elke-Lina zusammengestellt und mit eigenen Aquarellen illustriert.
Fast ungestörte Tierwelt, wo immer man schaut
Auch das gehört zu Slow-Travel-Tagen in der türkischen Ägäis. Die zutraulichen Wildschweine im Nationalpark, die von religiösen Vorschriften wie von der Naturschutzbehörde in ihrem unbedrohten Dasein profitieren. Eher noch müssen Parkbesucher dem Vernehmen nach fürchten, dass die selbstbewussten Tiere am mitgebrachten Picknick partizipieren wollen. Wasservögel kreisen über der Bucht, im Park gibt es noch Luchse und sogar wilde Pferde. Diese zu erblicken ist aber nicht leicht: Das hintere Ende des Parks ist militärisches Sperrgebiet, Zuflucht für die wilde Fauna, da von Menschen kaum zu betreten.
Doch auch im dörflichen Alltag leben Mensch und Tier ganz nah beieinander, die Tiere dabei verblüffend frei von Zäunen und Zwängen. In früher Morgendstund schon hört man ihr munteres Erwachen, am Tag trifft man schon mal eine Kuh am Meer, den Esel, der den Olivenbaum beknabbert, Schafe vor dem Wohnungsblock und wirklich freilaufendes Geflügel allenthalben. Und so schlendert es sich ganz wunderbar durchs ägäische Licht, während die Perlhühner gerade einer Verabredung mit den Junggänsen folgen.
Meine größte Sehenswürdigkeit: Dieses Blau
In der Nebensaison in der Ägäis – ich verliebte und verlor mich fast ins unschlagbare Blau, dessen Weite von keinem Jetski durchkreuzt und dessen intensive Kraft von nichts gestört wurde.
Einstimmungen für die türkische Ägäis
Und so versunken in die Farben der Ägäis gelang es kaum die vielen umliegenden Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Dabei hatte ich mir den Baedeker Smart Reiseführer Türkische Küsten mitgenommen, der eine ideale Einstimmung für die kurzentschlossene Reise war. Zu beziehen hier:
DuMont Reise Shop
Und so vieles wartet noch auf mich im blauen Paradies mit großer Vergangenheit. Wer dem imposanten kulturellen Erbe der Region so richtig auf die Spur kommen will, sollte ebenfalls die Nebensaison wählen, um mehr kühlen Wind und weniger Menschenmassen auf den Entdeckungstouren anzutreffen. Wahrhaft gut informiert geht das mit Wolfram Hoepfners Werk Ionien – Brücke zum Orient: Die griechischen Städte an der Westküste Kleinasiens
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Frau auf Reisen in guter Gesellschaft. Fünf Reisebloggerinnen verraten ihre Türkei-Tipps.
Danke an thomas.cook.de für die Kooperation.