Ausgerechnet die bei deutschen Individualtourist*innen so beliebte Region rund um Mátala – Sehnsuchtsort von Nordlichtern seit Hippie-Zeiten – wurde für mich bei meiner Kreta-Reise zunächst zur kleinen Enttäuschung. Darin steckt sicher eine Prise Undankbarkeit und eine noch etwas größere Prise Ungerechtigkeit. Denn es war ein bisschen auch eine (kleine) Frustration mit Ansage. Vor allem hat der zweigeteilte Kreta-Aufenthalt mir wieder einmal gezeigt, wann ich die Freiheit des Reisens am meisten empfinde: Im seligen Verschwinden und Verschmelzen, im Entdecken des Unvorhersehbaren. Und mit diesen Strategien habe ich mir dann die Messara-Ebene im Süden Kretas doch noch erobert. Sozusagen gegen den Strich.
Bei Mátala soll Zeus in Stiergestalt dem Meer entstiegen sein. Verbürgter, fotografisch wie in zahlreichen noch heute schwärmerischen Biographien ist, dass in den späteren 60er Jahren die imposante Felswand, die in Mátala ins Meer ragt, Wohnstatt von aufbruchsgestimmten Hippies war. Die Wohnhöhlen, in denen sie Freiheit und Sonne gegen Komfort und Erwartungen eintauschten, waren vermutlich bereits in prähistorischer Zeit einmal genutzt worden. Staunende Kreter in einem damals kleinen Fischerdorf haben sich das Spektakel angeschaut, bei dem auch Bob Dylan, Cat Stevens und viele andere Heroen der Zeit zu Gast waren. Es war mir klar – wer lesen kann, ist klar im Vorteil – dass Mátala heute ein touristischer Hotspot ist, in dem das Lebensgefühl von damals reinszeniert und kommerzialisiert wird. Denn der Sonnenuntergang und die Partystimmung sind nicht vergangen. Die Höhlen indes sind mittlerweile vor Be- und Abnutzung geschützt und können gegen Eintrittsgeld besichtigt werden.
Als ich an irgendeinem Nachmittag nach meinem kleinen roadtrip von Nord nach Süd und Bezug meines Zimmers in der Pension Aretoussa in Pitsidia, nach Mátala komme, bemerke ich gleich den großen kostenpflichtigen Parkplatz am Eingang des Ortes, die Menschenmassen, die von hier in den Ort und wieder zurück gespült werden. Und das im Oktober! Und ja, nach meiner wunderbar geborgenen, reizreduzierten und langsamen Zeit in Milatos, bin ich allergisch gegen genau das…
Erst zwei Tage später bin ich bereit, es noch einmal mit Mátala zu versuchen, zu früher Stunde. Da ist es dann zwar auch schon halb zehn, aber die Lage erscheint noch ziemlich übersichtlich, tatsächlich finde ich hinter dem Ortseingang eine Art breiten Feldweg nach rechts, wo ich das Auto kostenfrei abstellen kann. Eine gemächliche Stimmung herrrscht auf den Straßen und in den Frühstückscafés im Ort. VW-Käfer und -Busse, blumenbemalt, künden fröhlich wie klischeehaft davon, worum es hier geht.
Unten am Strand sind Sonne, strahlendblauer Himmel sowie die gesamte Bucht und ihre Gastronomen noch in der Entkaterungsstimmung, die Szenerie fast menschenleer. Der Strandliegenanbieter macht in langsamen Bewegungen seinen Service für diesen Tag startklar, die wenigen Gesichter, in die ich blicke, sind noch ganz verschlafen. Tastende Schritte einiger ganz weniger Strandläufer, zaghaftes Bewegen eines Surfbretts irgendwo auf dem Mäuerchen. Ganz automatisch finde ich, am Strand entlangschlendernd, oben überm Meer die Hakuna Matata Bar, trohnend über der Felswand auf der in bunten Lettern das Motto des Hippie-Erbes Today is Life. Tomorrow never comes gepinselt steht. In der Bar bin ich der einzige Gast und es gibt auch nicht wirklich Frühstück, aber ich bekomme einen Capucchino. Und meinen Blick auf die Bucht.
Das war schön, und doch nehme ich in den nächsten Tagen das ausgezeichnete Frühstück in der Pension, dass ich mir aus diversen Köstlichkeiten stets neu zusammenstellen kann, lieber in Anspruch. Und ich beginne, ganz gezielt Entdeckungen abselts der Tourist*innenströme zu machen, auf meinen eigenwilligen Pfaden. Davon hoffentlich bald mehr.
Wieder mal mir aus dem Herzen gesprochen! Mir sind die Trubelorte auch nicht geheuer und bleibe lieber abseits, nicht immer in Milatos, aber doch meistens und es gibt so viele wunderbare ruhige Orte auf Kreta. Wenn Sie mal wieder dorthin reisen sollten, PN an mich. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit. Mit lieben Grüßen – Rosmarie B.
Liebe Rosmarie, danke, dass Sie hier immer mal wieder vorbeischlendern:-) Vermutlich mindestens ebenso von der Sehnsucht nach griechischer Inselluft geplagt wie ich. Ich wünsche mir sehr, Kreta wieder zu sehen. Und spätestens dann melde ich mich sehr gerne zuvor. Ich hoffe, dass Sie auch schönen Reisen entgegen sehen!!! Herzlich, Bärbel
Hallo Bärbel, Dein Bericht aus Matala klingt so erfrischend anders, als der eben vom WDR gesendete…
Ich bin seit geraumer Zeit dabei, den Mut für eine Alleinreise nach Kreta zu sammeln.
Wandern, Land und Leute kennenlernen, am Meer sitzen und den Sonnenuntergang bestaunen …so der Plan.
Brauche ich spezielle Sprachkenntnisse, oder reicht Englisch?
Gibt es Tipps für Übernachtung und Logistik außerhalb der Tourimassenquartiere?
Wo finde ich dort deutschsprachige Wanderführer?
Danke Dir vorab und wünsche Dir eine gute Zeit.
Gruß aus Ostbrandenburg von Steffi
Liebe Steffi,
ja, den wdr-Beitrag muss ich mir auch noch anschauen… Den finde ich sicher noch in der Mediathek. Und dann bin ich gespannt, inwiefern er „anders“ ist:-))) Danke für Deinen Hinweis und Deine herzlichen Worte.
Kreta eignet sich ganz fantastisch zum alleine reisen, finde ich. Die Griechen sind auch alleinreisenden Frauen gegenüber sehr unkompliziert, das fiel mir früher schon auf. Sprachkenntnisse brauchst Du außer Englisch nicht, vielerorts sprechen viele auch deutsch: Denn es gibt, gerade im Süden viele Kreter, die einmal in Deutschland gelebt und gearbeitet haben. Und meinen Lieblingstipp für Ferien abseits der Touristenburgen findest Du in meinem Artikel über Milatos.
Viele liebe Grüße
Bärbel