Selten bin ich so schnell und so oft nach Rückkehr von einer Reise gefragt worden, ob ich schon etwas geschrieben habe. Es hatte sich rumgesprochen, dass ich in eine sehr besondere Pension fahre. Und das in der Türkei, wo vielen nicht das Eldorado des Individualtourismus zu sein scheint. Ich jedoch brauchte nun ein paar Tage, wieder zu mir zu kommen, denn ich war gefangen in einer Trance aus Blau.
Das blaue Haus unter einem sattblauen, wolkenlosen Himmel mit Blick auf ein Meer, das in allen Türkistönen wie eine wohlige Diva daliegt. Der Blick auf das Meer geht über einen Ort, der zu authentisch ist, um pittoresk zu sein. Morgens trete ich auf die Dachterrasse, hinter dem Berg kommt die Sonne zum Vorschein, die Hähne krähen, die Hunde bellen. Güzelcamlı in der Vor-Vor-Saison im April, die Schildkröten graben sich gerade aus, die Pfade riechen nach Thymian und anderen Kräutern, die Einheimischen genießen das Ende des Winters, das mir schon wie ein Früsommer vorkommt. Auch meine Gastgeber haben das Haus startklar gemacht für die Saison 2015 … und sie sind ganz wunderbar.
Elke und Mehmet haben 7 Jahre lang ihren Traum von der Pension in der Ägäis von Frankfurt am Main aus vorbereitet. Sieben ist eine sehr gute Zahl, aber sie kann nicht die einzige Erklärung sein für die wunderbare Atmosphäre, die die beiden in ihrem auf den ersten Blick fast unscheinbaren blauen Haus geschaffen haben. Vieles ist einfach, in dieser Pension… und der Luxus steckt doch im Detail: In der Entscheidung, was man nicht braucht (einen Fernseher auf dem Zimmer, einen Pool im Garten, oder gar standardisierte Animation) und was den Genuss ausmacht auf den Punkt: Köstliche türkische Bauernküche, am Abend in wechselnder, freier Gemeinschaft am langen Tisch genossen, ein friedvoller Garten zum Relaxen, tausend Tipps von stets zugewandten Gastgebern, eine für alle verfügbare Bibliothek, Elkes Bilder überall… Hier kann man Aquarellmalerei lernen, Ausflüge und Wanderungen bestens und sehr individuell organisiert unternehmen, sehr entspannt fragen und reden und allein sein und unter anderen sein.
Ephesos kann warten
Güzelcamlı ist seit der Verwaltungsreform ein (etwas entfernter) Ortsteil des Badeortes Kuşadası, wo mittlerweile die Kreuzfahrtschiffe anlegen und Taxis die vielen umgebenden Sehenswürdigkeiten anfahren. Die Region lädt ein zur Entdeckung antiken Erbes im Übermaß: Ephesos, Milet, selbst Pergamon ist noch erreichbar. Orte, die viele in Griechenland vermuten, auch ich weiß es erst seit kurzem besser. Ausflugsziele auf kurzen und mittleren Strecken gibt es von Güzelcamlı in großer Zahl. Und gerade Ephesos, das berühmteste, lässt sich beschwerdefrei am ehesten besichtigen in der Zeit meiner Reise: Im späteren Jahr wird man Teil größerer Touristenmassen, die es auf sich nehmen, das weitgehend schattenfreie Gelände in der Hitze des Südens zu durchstreifen.
Zugegeben, mir fehlte etwas der rechte Drang zur Antike, ich wusste das schon im vorhinein. Dafür hatte ich mir andere Sensationen vorgenommen, den traumhaft anmutenden Bafa-See etwa zu besuchen. Ideen brachte ich mit und vervielfachte sie in Güzelcamlı für jedwedes spätere Mal. Dieses Mal jedoch: Riss der Himmel an meinem ersten Vormittag auf und zeigte sein ganzes Blau, ebbten die stürmischen Attacken der vorangegangenen Kälteperiode plötzlich ab und flutete eine sanfte Woge der Gastfreundschaft über mich. Verführt von soviel Wohltaten fiel ich wehrlos in Tiefenentspannung. Die Unternehmungslust betraf plötzlich nur noch den inneren Kreis, ich sehe nach den stillen Tagen von Güzelcamlı die, die ihn konzentrisch umgeben, wie vorgezeichnet für Zukünftiges. Dieses Mal beschloss ich, dass das vor circa 7000 Jahren gegründete Ephesos sicher würdevoll noch ein kleines bisschen warten kann.
Natur, die philosophisch macht
Alles fließt, mit dieser Formel wird das Werk des Philosophen Heraklits zusammen gefasst erinnert, der der Natur vielfältige Erkenntnisse über ewiges Werden und beständigen Wandel ablauschte. Circa 520 vor Christus in Ephesos geboren, hat er seine Liebe zur Natur, die ihm die Geheimnisse der Weltordnung offenbaren konnte, vielleicht nicht zwischen Palästen, sondern in der fruchtbaren, von Wasserläufen durchzogenen Landschaft seiner ionischen Heimat gefunden. Menschenhand wird das Bild, das sich auf heute noch, jedenfalls in der Vor-Vorsaison, einsamen Pfaden zeigt, verändert haben. Dennoch stelle ich mir bei ungestörten Streifzügen vor, wie auch Heraklit langsam wandernd, hin und wieder ruhend am Rand einer Lichtung, hier seinen Gedanken nachging. Erzählte er seine Überlegungen den Schildkröten, die überall erstaunlich behende, erstaunlich zutraulich den Weg begleiten? Sie sind gute Zuhörerinnen! Da Schildkröten bis zu 800 Jahre alt werden, traf Heraklit hier vielleicht die Großelterngeneration…
Kleine Wunder vor der Haustür
Zu den schon mittelgroßen Wundern gehört es, dass ich beim ersten Versuch, einen Hauch internationale Urbanität zu erhaschen und nach Kuşadası zu fahren, an der Bushaltestelle rumlungernd, eine ehemalige enge Kollegin treffe, die ihre Familie besucht. Ich höre sie sagen, sie habe gewusst, dass es sowas gibt, aber… Wir schlendern gemeinsam durch den Ort, der ihr ganz anderes bedeutet als mir, der unbedarft Staunenden. Solche Zufälle machen froh.
Ich bleibe fortan in meiner Woche in Güzelcamlı im inneren Kreis und genieße es; die Vielfalt der Entdeckungen, die kleinen Wunder der Schönheit bezaubern mich. Kaum eine Kompliziertheit vermag es mehr, in dieser blauen Welt mein Hirn zu streifen. Ich entdecke die einsamen Buchten des Dilek-Nationalparks, die Zeus-Grotte, in der das Baden nicht erlaubt aber geboten ist: Verspricht es doch ewige Jugend und Schönheit. Nein, ich bin keine Heldin und stürze mich nicht in die sicherlich eiskalten Wasser, aber einige einheimische Jungs tun´s, Zukunftssicherung nach ägäischer Art? Anderntags lässt sich an der Grotte ein Hochzeitspaar, schwer geputzt, ablichten.
Magie der Ankunft in stiller Behaglichkeit
Erfahren habe ich Einiges, was ich dieses Mal noch gar nicht gesehen habe. Einige Tipps bald… Im engen Kreis des Domizils Lina Art und seiner Umgebung jedenfalls erfährt man bereits, wie herrlich es ist, sich in die Auszeit dort zu begeben. Die Gespräche mit Elke und Mehmet sind anregend und erweiternd; die gelassene und zugleich achtsame Umgebung sucht ihres Gleichen. Ein idealer Ort auch für Frauen, die alleine reisen, und zwischen Freiheit und kenntnisreicher Zugewandtheit ihren ägäischen Pfad suchen…
Und hier gibt´s einen tollen Ausflugstipp von Güzelçamlı aus.
Schön, dass Du bei uns zu Gast warst, liebe Bärbel. Nun blühen bereits die Rosen und der Mai ist der Übergang vom Frühling zum Sommer. Mittlerweile essen wir abends draußen im Garten und das Meer erwärmt sich langsam. Bevor die „Touristen“ im Sommer kommen, genießen wir die Strandcafés, die sich langsam für die kommende Saison vorbereiten. Alles Liebe und Gute von Elke & Mehmet
Liebe Bärbel,
ein wirklich schöner Bericht, der Lust auf die Türkei macht!
Das Land steht ganz weit oben auf meiner Reisewunschliste.
Wenn alles klappt, schaffe ich es bald endlich mal nach Istanbul. Und natürlich möchte ich noch so viel mehr sehen!
Liebe Grüße
Nic
Liebe Nicole, Istanbul steht bei mir genau wie bei Dir … weit oben … da war ich auch noch nicht! Izmir – da kam ich nur mit dem Flugzeug an – ist sicher auch sehr spannend .., die weltoffenste Stadt der Türkei … ich vergleiche es mit Tel Aviv, subkulturell aktive Städte am Meer. Mhm… Und ansonsten … ja, die Türkei ist nicht nur Antalya und Allinclusive, ganz sicher nicht. Vielen Dank für Deinen Kommentar … ich wünsche Dir wunderbare Reisezeiten…
Liebe Bärbel,
Am Abend vor meiner Abreise nach Güzelcamli habe ich Deinen Bericht per Zufall ? gelesen. Danach habe ich mich noch mehr gefreut. Alles war wunderschön. Ich habe Güzelcamli genauso wie Du kennen- und liebengelernt. Ein wirkliches Kleinod in der Türkei, wenn man das „Ursprüngliche“ sucht – die Menschen – die Natur – das Leben dort. Dann die Verbindung in einer Pension zu wohnen, die es vollendet – das „Blau“ von Güzelcamli mit den liebenvollen Gastgebern Elke und Mehmet. Bin erst seid gestern zurück und ich vermisse dieses ganz besondere „Blau“ von Güzelcamli – so wie Du es auch gesehen hast.
Liebe Sonja, vielen Dank für Deinen Kommentar! Und schön, dass Du es dort genauso genossen hast wie ich. Ja, die erste Zeit nach Rückkehr ist hart… Ich musste vom Frankfurter Flughafen mit der S-Bahn fahren, als meine Seele noch in Güzelcamli war… Welch Unterschied!
Liebe Bärbel,
das liest sich sehr verlockend. Daraufhin überlege ich im September oder Oktober dort meinen Urlaub (alleine) zu verbringen.
Die Kombination von netter Gastfreundschaft, gutem Essen, günstigem Einzelzimmer, Wasser und Natur hört sich super an.
Überlege 1-2 Wochen zu fahren.
Gruß
Sabine
Liebe Sabine, ich kann es wirklich nur empfehlen. Hier erholt man sich ganz wunderbar…
Sehr schöner Bericht!
Merci:-)